Gottfried Böhm - Das Saarbrücker Schloss im Wandel

Bürgerveranstaltung "100 Jahre Gottfried Böhm"

Am 23. Januar 2020 wurde Gottfried Böhm 100 Jahre alt. Ihm zu Ehren hatte der Regionalverband seine Bürgerinnen und Bürger zu einer Veranstaltung am 19. Januar in den Böhm'schen Mittelbau des Saarbrücker Schlosses eingeladen. Den Tag der Bürgerveranstaltung haben wir mit der Videokamera begleitet:


Rekonstruktion oder Renovierung? Der spannende Weg zum Bürgerschloss

Das Saarbrücker Schloss ist heute eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten Saarbrückens. Es ist nicht nur der Verwaltungssitz des Regionalverbandes, sondern auch ein Ort der Kunst und Kultur. Seit seiner Wiedereröffnung 1989 feiern die Menschen hier ihre Feste feiern und genießen Kulturveranstaltungen. Gerade der markante Mittelbau aus Glas und Stahl macht es zu einem architektonischen Highlight in der Region. Der Weg zum heutigen Erscheinungsbild des Schlosses war dabei alles andere als geradlinig. Vielmehr war er von Debatten und Auseinandersetzungen geprägt.

Barockschloss Saarbrücken (Ölgemälde, im Besitz des Saarland Museums)

Das ursprünglich von Friedrich Joachim Stengel entworfene Barockschloss hatte nach seiner Vollendung 1748 gerade einmal 45 Jahre Bestand. Im Zuge der französischen Revolution wurde es vollständig zerstört. Nach dem Wiederaufbau durch Johann Adam Knipper 1810 folgten zahlreiche Abriss- und Umbauarbeiten. Das in den 1960er Jahren baufällig gewordene Schloss hatte nur noch wenig mit dem ursprünglichen Stengelbau zu tun. Am 23. September 1976 beschloss der Stadtverbandstag den Bau „äußerlich nach Stengelschen Originalplänen“ zu restaurieren und den Mittelrisalit „mit der originalen Stockwerkshöhe“ neu zu errichten. Die Rekonstruktion des Barockschlosses war zwar von einer breiten Mehrheit gewünscht, aber umstritten. Erste Probleme traten bereits während der Bauforschung in Erscheinung. Die Originalpläne blieben unauffindbar und es fehlten wichtige Schnitte und Ansichten. Auch Grabungen nach barocken Details blieben ohne Erfolg. Dies betraf vor allem die Rekonstruktion des Mittelbaus.

Nichtsdestotrotz wurde zwischen 1977 und 1978 das gutachterliche Planverfahren durchgeführt. Die sieben dazu eingeladenen Architekturbüros sollten den Fokus auch auf die Entwicklung und Einbettung des Schlosses in den Stadtteil Alt-Saarbrücken setzen. Unter den eingeladenen Architekten war auch Gottfried Böhm. Mit der Godesburg und dem Rathaus Bensberg hatte er gezeigt, wie sich moderne Architektur mit der Geschichte verbinden lässt. Dank seiner Sakralbauten – darunter die Pfarrkirchen St. Albert auf dem Saarbrücker Rodenhof, St. Hildegard in Sulzbach-Neuweiler und St. Ludwig in Saarlouis - war er auch im Saarland ein bekannter und geschätzter Architekt. Mit seinem am 10. Mai 1978 vorgestellten Gutachten folgte er dem politischen Willen nach einer Rekonstruktion des Saarbrücker Schlosses. In seinem Vorschlag fanden sich auch Ideen zu Umbauten des Kreiskulturhauses, des Schlossgartens und des heutigen Nanteserplatzes. So sollte die Sichtachse zwischen Schloss und Ludwigskirche gestärkt werden. Zudem sollte die Autobahn von der Alten Brücken aus bis zu den Luisenanlagen mit einem großen Basar überdacht werden und eine neue Wasserfront an der Saar entstehen. Mit seiner eingereichten Idee belegte Böhm nicht zuletzt auf Grund seines Bezuges auf Stengel und die Stadtgeschichte den ersten Platz im Gutachterlichen Planverfahren.

Neben diesen ersten Gedanken zur „Stadtmitte am Fluss“ positionierte Böhm sich kritisch zu den Rekonstruktions-Plänen und wies in zurückhaltendem und beiläufigem Tonfall auf etwas hin, was noch große Bedeutung erlangen sollte:

„Wir kämen wohl selbst nie auf den Gedanken, das Schloß nach dem Stengelschen Entwurf wieder aufzubauen. Wir akzeptieren aber einen diesbezüglichen Beschluss und wissen, dass mit diesem Bau von so außergewöhnlicher Qualität der gesamte Stadtteil geprägt würde. Es wäre vermessen zu glauben, etwas Gleichwertiges schaffen zu können. Die Skizze zur Ansicht möge man bitte nicht als Alternative zum Stengelschen Schlossplan ansehen. Es ist lediglich die Überlegung, den Mittelrisalit auszuwechseln, falls man den jetzigen Bestand ohne den Wiederaufbau nach Stengel beläßt.“

Dem folgend fügte Böhm seinem Vorschlag eine kaum durchgearbeitete Alternative für eine Neugestaltung des Mittelbaus bei. Es folgten heftige Debatten aufgrund der Formulierungen in der Schlussempfehlung zu den schwierigen Auflagen der Rekonstruktion nach Stengel. Böhms Alternative wurde am Ende nur zu einem Denkansatz erklärt.

Es schien als hätte sich die Idee der Rekonstruktion durchgesetzt, doch es kam zu Widerständen. Gerade von Seiten der Denkmalpflege wurde heftige Kritik an den Plänen zur Rekonstruktion geäußert. Die Beiträge aller Epochen an einem Denkmal sollten beachtet und erhalten bleiben. Sobald man sich nur auf Hypothesen stützen muss, wie es auch beim Saarbrücker Schloss der Fall gewesen wäre, müsse man von einer Rekonstruktion absehen.

Auch das Klima in der Bevölkerung und der Politik änderte sich zunehmend. Grund waren hier nicht zuletzt die erwarteten Kosten. Die Vorentwurfsplanung der Architektengemeinschaft aus Gottfried Böhm, Nikolaus Rosiny, Klaus Krüger und Lutz Rieger gingen im Juli 1979 von rund 47 Millionen Mark aus. Mit den Nebengebäuden und Außenanlagen hätte sich die Gesamtsumme auf knapp 55 Millionen Mark erhöht. Auch die Zweifel der Architekten wuchsen. Die hohen Räume ließen sich vom Stadtverband, dem alleinigen Nutzer des Gebäudes, nur äußerst unwirtschaftlich für Büros gebrauchen. Wie wäre beispielsweise der barocke Festsaal im Mittelbau zu nutzen? Für einen Plenarsaal wäre er zu klein. So entwickelte Böhm ab Sommer 1979 alternative Entwürfe für das Projekt, allem voran für den Mittelbau.

Die Diskussionen und Einwände zeigten schließlich Folgen. Die eingereichte Bauvoranfrage zur Rekonstruktion scheiterte im Mai 1980. Der schlechte Bauzustand zwang dennoch zum Handeln. Die Idee der Rekonstruktion wurde zu Gunsten einer Renovierung und Instandsetzung aufgegeben.

Im Januar 1981 legte der Stadtverband zwei Alternativen zur Renovierung vor. Variante A hätte den vorhandenen Mittelbau beibehalten, während Variante B auch den Umbau des Mittelbaus einschloss. Letztlich fiel die Entscheidung, unter Beibehaltung des Architektenteams, auf die zweite Variante. Damit war auch der Weg offen für Böhms Idee zur Erweiterung und Überhöhung des Mittelbaus. Die eigentliche Gestaltung blieb aber weiterhin umstritten. Im Dezember 1981 begannen schließlich die Bauarbeiten.

Erst im Juli 1983 fiel die endgültige Entscheidung zur Gestaltung des Mittelbaus aus Glas und Stahl. Letztlich greift das heutige Erscheinungsbild die Idee auf, die Böhm schon 1978 als Alternative im gutachterlichen Planverfahren einreichte. In einem feierlichen Festakt wurde das Saarbrücker Schloss schließlich am 7. April 1989 wiedereröffnet und mehr als 30.000 Menschen besuchten es an den beiden anschließenden Festtagen. Seitdem hat sich das Saarbrücker Schloss zu einem wahren Bürgerschloss entwickelt.

  • geboren am 23. Januar 1920 in Offenbach am Main
  • 1938 Abitur in Köln
  • 1942-45 Studium der Architektur und Bildhauerei in München
  • Ab 1947 Zusammenarbeit mit seinem Vater Dominikus Böhm in dessen Büro in Köln
  • 1947-50 erstes eigenständiges Architekturprojekt Sakramentskapelle "Madonna in den Trümmern" der kriegszerstörten Kirche St. Kolumba, Köln
  • 1951 Amerika-Aufenthalt, Begegnungen mit Walter Gropius und Mies van der Rohe
  • 1955 Übernahme des väterlichen Büros
  • 1959-1968 Ausbau der Godesburg
  • 1962-1972 Bensberger Rathaus
  • 1963-1985 Professur an der RWTH Aachen
  • 1966-1968 Wallfahrtskirche „Maria, Königin des Friedens“ Neviges
  • bis 1970 baut Böhm 69 Kirchen
  • ab 1970 Konzentration auf öffentliche Bauten und städtebauliche Projekte
  • 1981-89 Restaurierung Saarbrücker Schlosses
  • 1986 Verleihung des Pritzker-Architekturpreises der Hyatt Foundation in Chicago
  • jüngste Projekte gemeinsam mit seinen Söhnen: 1995-2006 Hans Otto Theater Potsdam
  • 2006-2018 DITIB-Zentralmoschee Köln

  • 1952-54 gemeinsam mit Vater Dominikus Böhm Erweiterung Liebfrauenkirche in Püttlingen
  • 1952-55 Neubau St. Albert, Saarbrücken-Rodenhof
  • 1953-57 Neubau St. Hildegard, Sulzbach-Neuweiler
  • 1965-70 Neubau des Kirchenschiffes St. Ludwig, Saarlouis
  • 1978-82 Wohnbebauung Talstraße, Saarbrücken
  • 1979-84 Neubau Stadtmitte mit Bürgerhaus, Saarbrücken-Dudweiler
  • 1986-87 gemeinsam mit Elisabeth Böhm Umgestaltung Saarländischen Staatstheater, Saarbrücken
  • 1981-90 Neubau Historisches Museum, Saarbrücken